40,5 % am Wohnort durch elektromagnetische Strahlung belastet. 10,6% geben an, elektrosensibel zu sein. Kostenfreier Einbau von Strahlenschutz-Material würde bevorzugt genutzt.
Differenziertes Bild aus der Umfrage widerspricht der medialen Polarisierung
Das Ergebnis der repräsentativen Umfrage der ETH Zürich „Schweizer Umweltpanel. Fünfte Erhebungswelle: 5G. Befragungszeitraum: Mai – Juli 2020“, in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Umwelt (BAFU), mit insgesamt rund 7’000 Teilnehmenden überrascht: Die vorherrschende Darstellung einer polarisierten, in Mobilfunk-Gegner und Befürworter aufgespaltenen Bevölkerung muss revidiert werden. Das medial geförderte Klischee einer von diffusen Ängsten geplagten Minderheit, der eine fortschrittliche Mehrheit gegenüberstehe, ist als falsch entlarvt. Die Wirklichkeit sieht viel differenzierter aus.
Gemäss der ETH-Umfrage sind 60 % aller Befragten der Ansicht, dass die Bevölkerung nicht ausreichend vor der Strahlung von Mobilfunkantennen geschützt wird. «Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Vorsorge beim Schutz vor Strahlung von Mobilfunkantennen im Interesse der Bevölkerung liegt», fasst Thomas Bernauer, ETH-Professor für Politikwissenschaft, die Studie zusammen.
Die Ergebnisse machen deutlich, dass bisher viel zu wenig für den Schutz der Bevölkerung vor Mobilfunkstrahlung und Elektrosmog getan wird. Wenn sich die Befragten zwischen verschiedenen Wegen des 5G-Ausbaus entscheiden müssen, bevorzugen sie eher viele Standorte mit niedriger Strahlung pro Antenne, im Gegensatz zu wenigen Standorten mit hoher Strahlung. «Zudem würden sie sich eher für Massnahmenpakete entscheiden, die Gesundheitsrisiken bereits vor dem Ausbau erforschen», sagt Franziska Quoß, Projektkoordinatorin in Bernauers Gruppe.
Forderung nach Senkung der Strahlenbelastung
Im gegenwärtigen globalen Geschehen, wo die gesundheitliche Widerstandskraft verstärkt im Fokus steht, müsste erst recht alles getan werden, um die Strahlenbelastung stark zu senken, wie es die SaferPhone-Initiative fordert. Wie wichtig dies wäre, zeigt sich daran, dass 40,5 % der Befragten sich an Ihrem Wohnort durch elektromagnetische Strahlung von Mobiltelefonen, Tablets und Computern belastet sehen. 10,6% der Befragten geben sogar an, elektrosensibel zu sein. Die möglicherweise erhebliche Dunkelziffer ist darin noch nicht enthalten. 30,9 % sind sich nicht sicher, ob sie betroffen sind. Viele Betroffene bringen ihre Symptome nicht in einen Zusammenhang mit einer bestehenden EMF-Belastung.
Dass diese Meldungen und Bedenken eine reale Basis haben, wurde durch eine soeben veröffentlichte Schweizer Übersichtsstudie über oxidativen Stress durch elektromagnetische Felder (EMF) bestätigt. Die Auswertung von 223 neuen Studien des vergangenen Jahrzehnts ergab bei Strahlungswerten bis weit unterhalb der internationalen, weltweit als „sicher“ bezeichneten Grenzwerte die Entstehung von oxidativem Zellstress mit Auswirkungen auf Nervensystem, Blut, Immunsystem, Fortpflanzung und weitere Organe wie Leber und Nieren. Die Studie war im Januar 2021 von der BERENIS („Beratende Expertengruppe nicht-ionisierende Strahlung“ des Bundes) mit einer Zusammenfassung angekündigt worden.
Zunehmendes Erfahrungswissen in der Bevölkerung über Strahlungsauswirkungen
Seit der Einführung des flächendeckenden Mobilfunks haben Teile der Bevölkerung leidvolle und kostspielige Erfahrungen machen müssen. Sie haben sich mit Einsprachen zur Wehr gesetzt und Abschirmungen gegen die Strahlung eingerichtet. So ist es nicht erstaunlich, dass in der Umfrage unter den angebotenen Massnahmenvarianten diejenigen mit schwachen Antennen an vielen Standorten, Analyse der Gesundheitsrisiken vorgängig des Netzausbaus, umfassenden Möglichkeiten zur Einsprache und kostenfreiem Einbau von Abschirmungen gegen Mobilfunkstrahlung mehr Zustimmung fanden.
Schutz der Gesundheit hat hohen Stellenwert
Die ETH-Umfrage zeigt, dass im Zusammenhang mit Mobilfunk der Schutz der Gesundheit ein zentrales Anliegen von mehr als der Hälfte der Bevölkerung ist. Das hätte man schon bisher zur Kenntnis nehmen können. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurde immer wieder – vergeblich! – angemahnt, dass die steigenden Gesundheitskosten auch im Zusammenhang mit der zunehmenden Strahlenbelastung zu untersuchen seien. Die Politik wäre längst gefordert gewesen, dem Schutzbedürfnis der Bevölkerung ebenso Gehör zu schenken, wie sie es den Ansprüchen der Industrie gegenüber beim 5G-Ausbau tat.
Als Versagen der zuständigen Bundesstellen muss daher die im Februar 2021 veröffentlichte Vollzugshilfe für adaptive Antennen gewertet werden. Damit kann eine solche Antenne einen Smartphone-Nutzer mit bis zu 10-mal höheren Spitzenleistungswerten anstrahlen, als es bisherige Antennen durften. Dieses Vorgehen steht im Widerspruch zu den Ergebnissen der Umfrage, wie Thomas Bernauer darlegt: «Die Mehrheit spricht sich dafür aus, die bestehenden Grenzwerte für Mobilfunkantennen beizubehalten, auch wenn dies mit einem eher langsamen Ausbau von 5G für die ganze Schweiz verbunden ist».
Massgebend sind letztlich die Erfahrung und Erkenntnis aus der Praxis
Die langjährigen Erfahrungen von Umweltmedizinerinnen und unabhängigen Fachleuten sowie praxisnahe Studien mit Antennenanwohnern zeigen, dass gesundheitliche Auswirkungen der Mobilfunk-Strahlenbelastung der letzten 20 Jahre bis weit unterhalb des geltenden Anlagegrenzwertes von 4-6 V/m vorkommen. Es geht also nicht allein um die Frage, ob Grenzwerte eingehalten werden, sondern unter welcher realen Belastung unsere Gesundheit bereits angegriffen und geschädigt wird. Kritik an den geltenden Grenzwerten ist daher weiterhin nötig, denn diese schützen den Menschen und die Natur nicht ausreichend vor den biologischen Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung.