Der Bundesrat soll in einem neuen Bericht klären, wie nachhaltig ein einheitliches Mobilfunknetz sowie ein Ausbau des Glasfasernetzes wäre. Der Ständerat hat am Mittwoch ein entsprechendes Postulat von Brigitte Häberli-Koller (CVP/TG) mit 25 zu 16 Stimmen angenommen.
Im Wochentakt sind derzeit Schlagzeilen rund um den Mobilfunk, insbesondere 5G, zu lesen. Verschiedene Volksinitiativen von Strahlungskritikern sind gestartet und noch geplant. Vergangene Woche veröffentliche die Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung des Bundes einen Bericht. Dessen Kernaussage: Von einer Einigung betreffend Grenzwerte und weiteres Vorgehen sind die Experten weit entfernt.
In diesem Umfeld verlangt der Ständerat von der Landesregierung nun einen neuen Bericht. Die Verunsicherung in grossen Teilen der Bevölkerung sei weiterhin gross, sagte Häberli-Koller. Zwar sei der aktuelle Bericht des Bundes umfassend, doch behandle er nicht alle wichtigen Fragen. Es brauche weitere Fakten zur Versachlichung der Diskussion.
Der Bericht des Bundesrats soll die Machbarkeit und die Auswirkungen eines Ausbaus der Mobilfunknetze ins Zentrum stellen, fordert Häberli-Koller. Sie wünscht sich „konkrete Aussagen zur Weiterentwicklung des Mobilfunknetzes“.
Bundesrätin Simonetta Sommaruga machte darauf aufmerksam, dass der Bundesrat bereits vor vier Jahren ähnliche Berichte verfasst und veröffentlicht habe. Er sei dabei zum Schluss gelangt, dass es den Behörden in Anbetracht der rasanten technologischen Entwicklungen nicht möglich wäre, die aus technischer oder wirtschaftlicher Sicht besten Netzwerkelemente, Netzstrukturen und Technologien zu bestimmen. (SDA-Meldung, Donnerstag, 05. Dezember 2019 11h04.)
POSTULAT | Nachhaltiges Mobilfunknetz
Brigitte Häberli-Koller
Eingereichter Text
Der Bundesrat wird gebeten einen Bericht zu erstatten, wie eine nachhaltige Ausgestaltung der Mobilfunknetze erzielt werden kann, um optimalen Strahlenschutz zu erreichen und dabei die Einführung von 5G und der kommenden Technologien innert vernünftiger Zeiträume sicherzustellen. Der Bericht soll auch objektiv darstellen, welche Vor- und Nachteile ein einheitliches Mobilfunknetz in der Schweiz gegenüber der heutigen mobilen Versorgung mit drei Anbietern hätte und wie die Datenübertragung mittels Glasfaser gefördert werden könnte.
Begründung
Nach wie vor wird in der Gesellschaft sehr kontrovers über die Einführung von 5G und über die damit verbundene Strahlung debattiert. Der Fokus liegt dabei in erster Linie auf der Klärung der gesundheitlichen Folgen der Strahlung und insbesondere von 5G. Neben der Erforschung der Gesundheitseffekte ist es aber auch wichtig, sich Gedanken zu machen, wie ein nachhaltiges Netz für die Zukunft gestaltet werden müsste, das möglichst geringe Strahlung zur Folge hat und dennoch eine hohe Qualität aufweist. Mit meiner Interpellation 19.3169, „Mobilfunk. Arbeitsgruppe UVEK“ habe ich dem Bundesrat verschiedene Fragen gestellt zur optimalen Struktur eines Mobilfunknetzes. Insbesondere wollte ich Auskunft darüber erhalten, ob in absehbarer Zeit kleinräumige Funk-Zellen in den Städten sowieso unumgänglich sein werden, um die explodierenden Datenmengen zu bewältigen und welche Vor- und Nachteile ein einheitliches Mobilfunknetz mit einem zentralen Netzbetreiber – analog zu Swissgrid gegenüber dem heutigen Infrastrukturwettbewerb hätte. Mit der Stellungnahme des Bundesrates vom 29. Mai 2019 bin ich nicht zufrieden.
Der Bundesrat ist bisher nicht bereit, ernsthaft zu prüfen, welche Alternativen es zur heutigen Netzstruktur gibt. Insbesondere wäre zu untersuchen, welche Vor- und Nachteile die heutige reine Marktlösung gegenüber einer Alternative mit einem einheitlichen Mobilfunknetz hätte. Der Bundesrat beruft sich auf den Gesetzgeber, der mit dem FMG einen Infrastrukturwettbewerb will. Bevor nun im Parlament überhaupt über diese Frage diskutiert werden kann, müssen mögliche Lösungen dargestellt und bewertet werden. Der Bundesrat soll dies in einem Bericht nun tun. Dabei soll er für verschiedene Möglichkeiten insbesondere die Belastung der Bevölkerung mit Strahlung darstellen und die Auswirkungen auf die Sicherstellung einer guten Qualität der Mobilfunkversorgung.
Es scheint in der Bundesverwaltung keine kohärente Strategie zu geben, wie sinnvolle Netze aussehen sollen und wie Innovation im Bereich der Netzarchitektur gefördert werden kann. Letztlich geht es Wirtschaft und Gesellschaft nicht darum, möglichst viel mobil zu kommunizieren, sondern die Datenübertragung so zu organisieren, dass sie zuverlässig und von hoher Qualität ist. Dies ist auch möglich, wenn ein Signal nur so kurz wie möglich über Funk übertragen wird und ansonsten zum Beispiel mittels Glasfaser. Ich entnehme der bisherigen Debatte, dass der Bund Innovation in diesem Bereich ausschliesslich dem Markt überlassen will. Das ist inakzeptabel. Der Bundesrat ist der besorgten Bevölkerung schuldig, dass er nicht nur die Strahlenschutzgrenzwerte, sondern auch die Netzarchitektur objektiv und ernsthaft hinterfragt.
Stellungnahme des Bundesrates vom 27.11.2019
Bereits in seinem Bericht aus dem Jahre 2015 in Erfüllung der Postulate 12.3580 und 14.3149, „Zukunftstaugliche Mobilfunknetze“, hatte der Bundesrat die Rahmenbedingungen beim zukünftigen Ausbau der Mobilfunknetze zu überprüfen. Im Bereich des Fernmelderechts wurden dabei neue Verpflichtungen wie die gemeinsame Nutzung der Netze (Infrastruktursharing) oder Vorgaben zu Aufbau und Struktur der Netze und der einzusetzenden Technologien geprüft. Der Bundesrat gelangte dabei zum Schluss, dass es den Behörden in Anbetracht der rasanten technologischen Entwicklungen nicht möglich wäre, die aus technischer oder wirtschaftlicher Sicht besten Netzwerkelemente, Netzstrukturen und Technologien zu bestimmen und dass dies den am Markt arbeitenden Netzbetreibern zu überlassen sei. Die Rolle des Bundes ergibt sich zum einen aus dem Fernmeldegesetz, welches bezweckt, dass der Bevölkerung und der Wirtschaft vielfältige, preiswerte, qualitativ hochstehende sowie national und international konkurrenzfähige Fernmeldedienste angeboten werden. Zum anderen fordert das im Umweltschutzgesetz festgehaltene Vorsorgeprinzip, dass Einwirkungen, die schädlich oder lästig werden könnten, frühzeitig so weit zu begrenzen sind, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist.
Um mehr Flexibilität bei der Gestaltung von Mobilfunknetzen zu erlauben, schlug der Bundesrat in seiner Botschaft zur Revision des Fernmeldegesetzes (FMG) aus dem Jahr 2017 vor, bei Funknetzen künftig Netzkooperationen zu erlauben (Art. 24d Abs. 5). Mit Inkrafttreten des revidierten FMG wird es zulässig sein, dass Netzbetreiber Kooperationen beim Bau und Betrieb von Mobilfunknetzen eingehen. Dabei muss die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der beteiligten Netzbetreiber erhalten bleiben, damit der Wettbewerb nicht unangemessen beeinträchtigt wird (BBl 2017 6559, S. 6632 ff).
Im Zuge der im Frühjahr 2019 abgeschlossenen Beratungen zur Revision des FMG wurde ein Antrag gestellt, welcher eine Priorisierung der kabelbasierten Versorgung gegenüber Funkanlagen forderte. Dasselbe Anliegen ist auch in der Interpellation 19.3169 sowie im vorliegenden Postulat enthalten. Der Antrag wurde im Nationalrat abgelehnt.
In der von alt Bundesrätin Doris Leuthard eingesetzten Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung wurde die Frage der Netzstrukturen und entsprechender Optionen aufgegriffen. Der Bundesrat hält die Erstellung eines weiteren Berichts für nicht notwendig.
https://www.parlament.ch/DE/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20194043